We wanna Dover - die schwarzen Mönche vom Niederrhein (1)

Wir schrieben das Jahr 1996. Borussia Mönchengladbach spielte im Uefa Pokal gegen keine geringere Mannschaft als Arsenal London, damals noch mit David Seaman im Tor und Denis Bergkamp im Sturm.

Dieses Spiel wird für immer mein Spiel bleiben, es war die geilste Fahrt, die ich jemals im Fußball gemacht habe und wahrscheinlich auch nie wieder machen werde. Los gings um 22.00 Uhr Abends. Wir trafen uns wie immer in unserer Stammkneipe (davon später eine eigene Geschichte). Wir, das waren:

  • Bonushure: Zur damaligen Zeit ziemlich frisch getrennt und dementsprechend Dauerblau
  • Der Fahrer: Wurde so genannt, weil er bis heute nicht dem Alkohol zuspricht aber kein Problem damit hat, die Jungs mit achteinhalb Promille zu jedem Auswärtsspiel zu kutschieren
  • Monacco Wolle: Ein Geschäftsmann und ehemaliges Lagerfeld Modell, der aus irgendeinem unerklärlichen Grund Freude dabei fand, mit uns komischen Vögeln zum Fuppes zu fahren. Hatte als einer der ersten ein Handy.
  • "Fähnchen": Wurde so genannt, weil seine Meinung zu bestimmten Spielern innerhalb eines Spiels mindestens dreimal wechselte! War immer davon bedroht, von den eigenen Leuten vermöbelt zu werden.

Wir waren zu viert in einem Opel Vectra, den wir mit einer Palette Diebels bestückt hatten. Unser Weg sollte über Calais mit der Fähre nach Dover führen. Die Fähre fuhr gegen 04.00 Morgens und wir mussten so gegen 00.00 Uhr aufbrechen. 3 volltrunkene Gladbach-Gröler plus 1 nüchterner Fahrer, der Ärmste. Wir waren rechtzeitig auf der Fähre, wurden mit dem Auto eingewiesen und freuten uns auf die Überfahrt. Es waren noch einige andere Gladbacher an Board und wir gedachten, die Bordbar mit unserem Liedgut zu beglücken. Frohen Mutes schritten wir dorthin, tranken ein paar Bier und stimmten schmutzige Lieder an. Es hätte ein fröhlicher Morgen werden können. Aber halt, was war das? HSV Fans? Was machen die denn hier? Kurz nachgefragt, achso- die Burschen nahmen die Fähre über Calais um anschließend nach Schottland zum Uefa-Cup Spiel durchzureisen, war wohl billiger als direkt von Hamburg überzusetzen. Soweit kein Problem, bis dann das Übel in Form einer 20er Gruppe HSV-Kutten die Bar enterte und ein paar Aschenbecher durch die Luft warfen. Wir beschlossen den Rückzug anzutreten, immer diese Androhung von Gewalt...

06.00 morgens kam die Fähre pünktlich in Dover an. Unser Fahrer machte jetzt doch einen müden Eindruck. Und dann noch der Linksverkehr. "Ja hm, wer traut sich den hier jetzt zu fahren?" "Na gut, ich fahre" meinte unser Kosmopolit. Also ihn halbwegs nüchtern ans Steuer gelassen und mit Vollspeed auf der rechten Spur an den ganzen Tommys vorbei Richtung London. Unterwegs noch in einem unendlichen fiesen und schäbigen Wohnwagen-Container englische Bohnen gefrühstückt, die sofort durchschlugen, so dass wir die restlichen Fahrt bei offenem Fenster verbringen durften. Gegen 9.00 Uhr kamen wir am Picadilly Circus an. Das Spiel ging ja auch schon in 12 Stunden los :-)

Also, was macht man als Fußballfan in voller Uniform frühmorgens in London? Wir mussten nicht lange überlegen. Nachdem wir uns drei Stunden die Zeit mit Sightseeing vertrieben hatten, gibt es in England nämlich eine tolle Erfindung: Mittags saufen mit Geschäftsleuten! Wir sind mehr so aus Zufall in einen Pub rein, der recht nah im Zentrum lag und von außen eine "normalen" Kneipeneindruck hinterließ. Drinnen standen allerdings die feinen Herren von der Wallstreet und übten sich in Druckbetankung(!). Kein Wunder, dass die Tommys letztens bei der Wirtschaftskrise so derbe in die Fresse bekommen haben. In zwei Stunden zimmerte sich der ganze Laden aber so was von die Rübe voll, dass wir nur ehrfurchtsvoll an unserem widerlich, stinkenden englischen Lakritzbier nuckeln konnten. 14.00 Uhr - last Order und dann wurde der Laden dicht gemacht. Die Meute ging (tatsache, die konnten noch alle gerade laufen) wieder zur Arbeit.

Wir also wieder Richtung Piccadilly Circus, wo mittlerweile zahlreiche Gladbacher im Brunnen standen und bei schönstem Wetter die glorreiche Vergangenheit unseres Clubs anstimmten. Ist schon ein geiles Gefühl, wenn man in London mit 100 Gleichgesinnten am bzw. iShaftesbury-Gedenkbrunnen die Sau rauslässt.
Die Anwesenden Cops waren auch friedlich uns ließen uns in Ruhe gröhlen bzw. Biertrinken, sie waren wahrscheinlich viel schlimmeres gewohnt. Mittags bekamen wir dann Hunger. Wir also rein zu Burger King und jeder erstmal nen Doppelwhopper verdrückt. Zur damaligen Zeit tobte in Deutschland gerade die BSE Hysterie, was uns aber erst nach unserer Mahlzeit wieder einfiel :-) Kein Witz, je nachdem in welchen Kreisen man so verkehrte, wurde kein Rindfleisch gegessen. Und wir taten das dann auch noch in England!
Schnell ein paar Kurze drauf und gegen nachmittag beschlossen wir, so langsam Richtung Stadion zu begeben....


Jaja, null Pokercontent, aber ich hab die Story hier rumliegen und muss sie eh meinen Enkeln aufschreiben :-)

4 Kommentare:

  1. Geschichte muss sein! Immer her damit, aber keine Gewaltorgien besingen!

    vo

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  2. Stefan, danke für den Kommentar. Keine Sorge, ich hatte es schon einmal geschrieben - wir waren keine Hooligans. Kannten aber deren Umfeld und deren Motivation ziemlich gut.
    Es ist einfach Geschichte und ich versuche meine Erinnerung aufrecht zu erhalten.

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  3. Man vergißt zwar nichts, aber "wirklich" erinnern kann man sich auch nicht, hat Freud mal klug formuliert.

    D.h. jede Erinnerung ist immer auch konstruiert, zusammengesetzt... aber genau das macht sie ja auch aus.

    Mir gefallen Deine Erzählungen und "Erinnerungen" gut, und ein bißchen Abwechslung im Sommerloch schadet auch nicht.

    :-)


    LG

    stefan

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  4. >Freu mich auf Teil 2 , klasse Story bisher...

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